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Nutzwertanalyse


Sowohl für die Bewertung technischer Systeme als auch für die Bewertung von Investitionsprojekten existieren eine Reihe von Verfahren und Methoden. Da sich bisher keine Vorgehensweise auf dem Gebiet Nutzenanalyse für die aktiven Sicherheitssysteme als Standard durchgesetzt, werden im Rahmen des Projektes Ko-KOMP unterschiedliche aktuelle Methoden miteinander verglichen und anschließend eine passende Vorgehensweise zur Bewertung der aktiven Schutzkonzepte vorgestellt.
Bevor die Bewertungsmethode festgelegt wird, muss im Vorfeld bestimmt werden, wie die Nutzenaspekte in die Bewertung einfließen sollen. Eine Möglichkeit ist die Festlegung der Wirksamkeitskriterien und somit Durchführung einer Wirksamkeitsanalyse. Hierdurch können die Wirkungen wie z.B. „Sicherheit“ berücksichtigt werden, die nicht monetär sind und für die keine Marktpreise existieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Betrachtung der qualitativen Nutzenaspekte. Diese können entweder durch Zielkriterien in dimensionslose Ordnungsindexe (Punkte) transformiert werden oder durch Annahmen und Modelle in Form der Geldwerte ausgewiesen werden.
Bei der Nutzenbewertung durch die Wirksamkeitsanalyse können sowohl monetäre als auch nicht monetäre Kriterien betrachtet werden. Diese Methode hat gegenüber anderen Methoden die höchste Transparenz. Der Nachteil dieser Methode ist, dass schließlich die Wirksamkeit des Systems durch einen Skalar dargestellt wird und eine Einordnung und Bewertung mit anderen Systemen erst möglich ist, wenn sie mit gleichen Kriterien und gleichzeitig durch dieselbe Methode untersucht werden. Da hier nicht mehrere Systeme bewertet werden, werden die Nutzenaspekte neben einer Wirksamkeitsanalyse zusätzlich durch definierte Modelle in monetäre Werte transformiert. Hiermit können Kosten und Nutzen zusätzlich in Form von Geldeinheiten zueinander gesetzt werden, durch die auch ein direkter monetärer Vergleich mit anderen Systemen möglich wird.
Zur Bestimmung der Wirksamkeit der aktiven Schutzkonzepte wird sowohl von physikalischen Werten (z.B. Relativgeschwindigkeit) als auch von physiologischen Werten (z.B. Anzahl der vermiedenen Getöteten) ausgegangen, mit denen die Effektivität und Wirkung der ausgelegten Maßnahmen bei einem Unfall beschreibbar wird.
Für die Festlegung der monetären Nutzenwerte muss zunächst ein Modell erstellt werden. Dieses Modell wird hier durch eine Verletzungsrisikofunktion definiert. Diese stellen die Wahrscheinlichkeit, mindestens einen bestimmten Verletzungsschweregrad zu erleiden, in Abhängigkeit verschiedener Einflussgrößen dar. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft eine Verletzungsrisikofunktion für die Wahrscheinlichkeit, als PKW- Insasse beim Seitenanprall schwer verletzt zu werden, in Abhängigkeit der Geschwindigkeitsänderung Δv. Die Information, ob der Insasse stoßzugewandt oder stoßabgewandt saß, wird anhand von zwei verschiede-
nen Kurven dargestellt. Erwartungsgemäß ist für stoßzugewandt sitzende Insassen bei identischem Δv die Wahrscheinlichkeit höher, schwer verletzt zu werden.




Beispiel einer Verletzungsrisikofunktion für PKW-Insassen

Im Rahmen von Ko-KOMP werden potentielle Einflussfaktoren auf die Verletzungsschwere mittels Korrelationsanalysen untersucht. Dies sind unter anderem die Kollisionsschwere (Δv, EES, Rotationsgeschwindigkeit, Stoßimpuls, etc.), der Stoßpunkt (bspw. im Bereich der Insassenzelle oder außerhalb), der Anschnallstatus sowie das Alter der Insassen. Nach Bestimmung relevanter Einflussgrößen auf die Verletzungsschwere werden mittels multivariater logistischer Regressionsverfahren Verletzungsrisikofunktionen generiert. Dabei werden alle Prädiktorvariablen in einem Kombifaktor zusammengefasst. Durch die Nutzung verschiedener Verletzungsrisikofunktionen mit unterschiedlichen Zielgrößen können kumulative Verteilungen aller Verletzungsschweregrade erzeugt werden.




Kumulative Verteilungen aller Verletzungsschweregrade

Auf Basis der Simulationsergebnisse lassen sich die Kombifaktoren sowohl für die realen Unfälle als auch für einen aktiven Systemeingriff berechnen. Die entsprechenden Risiken für die realen und virtuellen Unfälle werden anhand von standardisierten Kostenansätzen in Geldeinheiten ausgedrückt. Dabei werden die Kosten der jeweiligen Unfallkategorie mit der entsprechenden Wahrscheinlichkeit multipliziert. Abschließend werden alle Kosten zusammenaddiert. Die resultierenden Gesamtkosten entsprechen dem monetären Nutzen.




Beispiel der Berechnung der Gesamtkosten für den Fall ohne aktive Sicherheit

Um die Marktdurchdringung und somit den Zeithorizont mit zu betrachten wird bei dieser Bewertung zusätzlich die Ausstattungsrate der Verkehrsteilnehmer berücksichtigt. Ausgehend vom Basisjahr 2013 wird der Zeithorizont auf zehn Jahre bis 2023 festgelegt. Für die Marktdurchdringung wird innerhalb der nächsten zehn Jahre von einer linearen Entwicklung ausgegangen. Die Marktdurchdringung wird auf der Basis heute bekannter Daten (Marktdurchdringung von ESP, ACC, …) geschätzt. Da keine exakte Angabe möglich ist, wird sie anhand von Klassen (sehr niedrig 0 5%, niedrig 6-20%, mittel 21-50%, hoch 51-80% und sehr hoch 81-100%) bestimmt. Durch die Multiplikation der Ausstattungsrate mit dem Ergebnis aus der Risikobetrachtung kann der Nutzen des Systems monetär in einem Zeithorizont betrachtet werden.
Die berechneten Nutzenwerte und Wirkungsfaktoren können durch die Methoden der Nutzen-Kosten-Analyse und Wirksamkeitsanalyse den betrieblichen Kosten gegenübergestellt werden und somit können die hier ausgelegten Maßnahmen bewertet bzw. eingeordnet werden.