Ko-PER - Kooperative Perzeption

Ko-PER Pyramide

Die Pyramide zeigt die Arbeitsschwerpunkte von Ko-PER

Zur Verbesserung der präventiven Sicherheit im Straßenverkehr strebt Ko-PER eine möglichst vollständige Erfassung der lokalen Verkehrsumgebung an. Dazu wird der Einsatz verteilter Sensornetzwerke untersucht; mittels Austausch und Fusion der von den verschiedenen Sensorsystemen gewonnenen Umfeld-Informationen wird ein Gesamtbild der lokalen Verkehrssituation abgeleitet.

An der Umfeld-Erfassung beteiligt sind Fahrzeuge, die an neuralgischen Punkten (z.B. an Kreuzungen) durch ortsfeste Sensornetzwerke ergänzt und unterstützt werden (fahrzeug- bzw. kreuzungslokale Perzeption).

Jedes der in den Kommunikationsaustausch eingebundenen Perzeptionssysteme nimmt die Verkehrsszene aus seinem eigenen Blickwinkel (an Kreuzungen: aus mehreren seiner Blickwinkel) wahr und gewinnt auf diese Weise Information über die aktuell verkehrsrelevanten Objekte, ihren Typus (z.B. Fahrzeug oder Fußgänger) sowie ihre Position, Orientierung und Dynamik. Darüber hinaus wird die sog. Absichtserkennung (“Fußgänger läuft gleich los”, “Fahrzeug will abbiegen”) Untersuchungsgegenstand sein.

Die Ergebnisse der fahrzeug- und kreuzungslokalen Wahrnehmung werden über drahtlose Fahrzeug-Fahrzeug- und Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation lokal weitergegeben (im sog. Broadcast Modus) und in den Empfängerfahrzeugen mit den Ergebnissen der jeweils eigenen, fahrzeuglokalen Umfeld-Erfassung fusioniert (kooperative Perzeption). Wie aus den Videos 1 und 2 dieser Seite ersichtlich ist, gewinnt ein Empfängerfahrzeug auf diese Weise Informationen, die es entweder selbst (noch) gar nicht hat, oder die es – analog zum Mehr-Augen-Prinzip – dazu verwenden kann, seine eigenen Beobachtungen mit denen anderer Perzeptionspartner abzugleichen.

Die geschilderte Vorgehensweise erlaubt somit

  • eine virtuell vollständige Erfassung des lokalen Fahrumfeldes inklusive der de facto Aufhebung von Verdeckungen im Folgeverkehr (vgl. Videos 1a und 1b: hierbei wird der vorneweg fahrende gelbe Kleinwagen aus Sicht der hinter dem hellgrauen Transporter herfahrenden Limousine vollständig verdeckt. Der Transporter „beobachtet“ das Fahrzeug jedoch mit seiner bordeigenen Sensorik und „meldet“ der nachfolgenden Limousine per Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation den plötzlichen Bremsvorgang des gelben Kleinwagens; zum Vergleich wird der Film nicht nur aus dem Blickwinkel der Limousine, sondern auch aus der Vogelperspektive gezeigt);
Video 1a: Folgeverkehr Vogelperspektive

Video 1b: Folgeverkehr Fahrerperspektive

  • eine virtuell vollständige Erfassung des lokalen Fahrumfeldes inklusive der sensorischen Abdeckung nicht einsehbarer Fahrbahnen und Fahrspuren – einschließlich Radwegen – an Kreuzungen und Einfahrten (vgl. Videos 2a und 2b: Man beachte den gegen Ende der Videos hinter dem grauen Transporter in Gegenfahrtrichtung hervorschießenden, aus Sicht der abbiegenden Limousine bis zuletzt unsichtbaren Radfahrer; dieser wird vom Sensornetzwerk der Kreuzung wahrgenommen und per Kreuzungs-Infrastruktur-Kommunikation lange vor seinem Auftauchen an die Limousine „gemeldet“, in der zu gegebener Zeit eine geeignete Fahrerwarnung generiert wird.)
Video 2a: Kreuzungsverkehr Vogelperspektive

Video 2b: Kreuzungsverkehr Fahrerperspektive

  • die Berücksichtigung von Verkehrsteilnehmern, die selbst keine Kommunikationsausrüstung mit sich führen, wie beispielsweise Fußgänger und Radfahrer oder auch nicht ausgerüstete Fahrzeuge;
  • die Beteiligung von Fahrzeugen, die lediglich eine Kommunikationseinheit, aber keine kostspielige Umfeld-Erfassungssensorik mit sich führen, an den Wahrnehmungsergebnissen höher ausgerüsteter Automobile („Sozialisierung der Perzeption“).

Der geschilderte Informationsaustausch über das Vorhandensein und den dynamischem Zustand verkehrsrelevanter Objekte wird im Bereich ausgerüsteter Kreuzungen ergänzt durch drahtlos übermittelte Informationen zum Status von Lichtsignalanlagen und zur lokalen Topologie und Geometrie des Fahrbahnverlaufs – Informationen, wie sie bereits in anderen Projekten (wie zum Beispiel in simTD, AKTIV-AS oder Intersafe) entwickelt und erprobt werden bzw. wurden.

Die Vollständigkeit der Fahrumgebungsrepräsentation zusammen mit dem dynamischen Zustand, der Kurzzeithistorie und der partiellen Absichtserkennung der in ihr agierenden Verkehrsteilnehmer erschließt u.a. auch die Möglichkeit sog. kognitiver Ansätze. Stichworte hierzu sind: Situationsanalyse, Situationsinterpretation Szenenverständnis.

[Ähnlich wie bei einem beobachteten Mannschafts-Ballspiel, ist die Kenntnis der Bewegung der aktuell relevanten Spieler und des Balls zwar notwendig, für sich allein aber nicht hinreichend um die Strategie, Taktik und Aktionen der das Spiel bestreitenden Teams zu verstehen. Dazu ebenfalls erforderlich ist die Kenntnis der Regeln des Spiels sowie die Erkennung der Ziele und Absichten der beteiligten Spieler und deren Zusammenwirken.]

Das hier angesprochene Szenenverständnis ist Grundlage für ganz neuartige Konzepte und Funktionen der Fahrerassistenz und Präventiven Sicherheit, insofern nämlich als

  • es Unterstützungsfunktionen zulässt, die nahe liegender Weise generische Ansätze der Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) erforderlich machen: Fahrerassistenz und präventive Sicherheit samt MMI “aus einem Guss” – unter Berücksichtigung unterschiedlichster Konfliktsituationen, inklusive Mehrfachkonflikten und Konflikt-Abfolgen bei nicht vorhersehbarem (d.h. nicht deterministischem) Verhalten einzelner Konfliktpartner;
  • das kooperative Sensornetzwerk des Fahrzeugs einen weit vollständigeren Überblick der aktuellen Verkehrsszene liefert als der natürliche Sinnesapparat des Fahrers;
  • der “siebte Sinn” des Fahrers – mit welchem er aufgrund seiner Erfahrung und mentalen Vorausschau fortlaufend Hypothesen darüber generiert, was als nächstes geschehen könnte – durch Informationen über Abläufe und Geschehnisse ergänzt wird, die sich zwar schon ereignet haben, die aber für den Fahrer beispielsweise aufgrund von Verdeckungen noch nicht sichtbar sind.

Das skizzierte Feld der Situationsanalyse (der „kognitiven Umfeld-Erfassung“) ist derzeit noch kaum erschlossenes Neuland. Von Ko-PER werden zu dessen Erschließung geeignete Impulse ausgehen, ohne dass damit ein Alleinanspruch auf derlei Explorationen erhoben würde: Dazu ist die sich abzeichnende Aufgabe entschieden zu groß.